RELIGIONEN

DER HINDUISMUS

Ich bin als Hindu geboren. In Indien sind fast alle Menschen sehr religiös. Im Hinduismus gibt es viele Götter und Feste, das religiöse Leben ist sehr bunt, farbig und interessant; darüber haben wir uns immer gefreut. Vielleicht standen philosophische Fragen nicht so sehr im Vordergrund, aber es war auch nicht einfach nur Gewohnheit: Mein Glaube und mein Vertrauen sind stark, dass Gott da ist; wir tun viel für Gott, wir sind Gottes Kinder, und wenn wir zu ihm beten, geht es uns auch gut. Ich habe nie daran gezweifelt. Meine Religion gibt mir Antworten zu fast allem, was mich beschäftigt. Hier in der Schweiz ist es etwas anders. Eine meiner Töchter glaubt auch, feiert auch die Feste mit und betet mit mir, aber die andere Tochter ist nicht so religiös, im Gegensatz zu meiner Familie in Indien.

Ich finde schön, dass man im Gebet nicht so seriös, traurig oder niedergeschlagen ist. Klar überträgt sich die Stimmung auch ins Gebet – doch gerade, wenn man traurig ist, betet man, singt und musiziert – das ist bei uns normal – und das tut sehr gut. Es ist sehr meditativ.

In St. Gallen treffen wir uns immer mittwochs, da kommen auch Leute von Wattwil oder St. Margrethen. Wir haben nur einen Raum, keinen grossen Tempel. Zuerst wird gebetet, dann lesen wir die Bhagavadgita und diskutieren darüber. Ein Gelehrter erklärt immer auch die Texte. Unsere Gruppe besteht aus kleinen Kindern, Jugendlichen und älteren Leuten; nicht nur aus Indern, sondern auch aus Schweizern und aus Menschen aus Sri Lanka. Nach den Gebeten feiern wir zusammen die Arathi-Zeremonie und essen Prasadam; das heisst, jemand bringt etwas mit und wir teilen alles miteinander. Grosse Feste feiern wir in Zürich oder in Bern; aber in St. Gallen feiern wir jetzt schon seit über 15 Jahren auch Diwali.

Anita Pawar

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DAS JUDENTUM

Weil ich in einer jüdischen Familie geboren wurde, war es sozusagen mein Schicksal, Jude zu sein. Doch als liberaler Jude zu leben, war später meine persönliche Entscheidung. Ich bin Jude, weil ich glaube, dass das jüdische Volk von unserem Schöpfer mit einer besonderen ethischen Verantwortung auserwählt wurde. Wir haben eine ethische Aufgabe, die wir nicht immer und überall erfüllen; aber allein unsere Existenz ruft diese ethischen Fragen ins Bewusstsein, wo auch immer wir leben. In diesem Setting übernehme auch ich eine Rolle, und zwar im interreligiösen Dialog.

Mein religiöses Leben spielt sich vor allem in meiner Familie ab. Mit meiner Frau teile ich alle Rituale, die für mich alleine sinnlos wären. Religion gibt mir ein Ziel im Leben, eine Bedeutung und einen Ort, wo ich meine Fragen stellen kann. Und manchmal finde ich in der langen Tradition der religiösen Literatur sogar Antworten.

Das jüdische Leben in St. Gallen ist problematisch, weil wir eine sehr kleine Gemeinde sind. Die Synagoge ist der Platz, wo die Gemeindemitglieder die verschiedenen Feste feiern können. Ich begleite sie in den verschiedenen Übergängen des Lebens, von der Geburt bis zum Begräbnis, was leider in letzter Zeit mehrheitlich vorkommt.

In unserer Partnerschaft haben wir im Lauf der Zeit einen Konsens gefunden, in welcher Art und Weise wir zu Hause leben wollen. Daher haben wir immer noch die Atmosphäre eines jüdischen Zuhauses, auch wenn nicht viele Menschen um uns so leben wie wir. Zum Beispiel waren wir der einzige Haushalt in St. Gallen, der beim Laubhüttenfest eine Laubhütte auf dem Balkon hatten. Trotzdem haben wir dort so oft wie das Wetter möglich machte, gegessen.

Tovia Ben Chorin

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DER BUDDHISMUS

Buddhistin kann man eigentlich gar nicht werden oder sein; es ist ein Weg in Stufen: Unterweisungen hören, darüber nachdenken – analytisch meditieren – und das Erkennte konzentriert meditieren und das Erfasste leben. Ich habe mich für diesen Weg entschieden, weil es mich überzeugt hat, nicht zu glauben, sondern zu forschen.

Ich bin christlich aufgewachsen, habe dadurch viel gelernt und gewonnen, aber auch verschiedene Erfahrungen gemacht, die mir nicht so gefielen. Mit den Menschen in den Klöstern, den Ehrwürdigen Rinpoches, Lamas, Geshes, Mönchen und Nonnen erlebe ich etwas anderes. Was sie lehren und was sie tun, passt zusammen.

Das Wichtigste für mich ist, die Gelübde und Anweisungen so weit irgend möglich einzuhalten und zu merken: Wenn man zum Beispiel einen Vajra und eine Glocke erhält oder erwirbt, geht es darum, die Symbolkraft und die Anwendungen zu verstehen. Man wird mit etwas Neuem vertraut gemacht, macht eine Zeremonie mit, die einem zu verstehen hilft. Solche eine Einweihung verleiht nicht nur Rechte, sondern ist auch mit Pflichten verbunden. Die Pflichten können ganz schön viel werden. Jetzt bete ich etwa täglich eine Stunde. Diese Rezitationen sind gehaltvoll und verändern meine Einstellung und mein Denken. Wenn ich mich aufrege oder mir eine Situation zu schwierig wird, hilft es mir, mich zu sammeln, meinen Geist ruhig werden zu lassen und ich kann die Situation aus einer anderen Perspektive betrachten.

Unsere buddhistische Gruppe ist über den ganzen Kanton verstreut. Wir treffen uns hin und wieder, haben normalerweise einmal pro Monat ein Treffen in Effretikon und zweimal in Feldkirch, mit Rezitationen und Unterweisungen, und anschliessend sitzt man auch zusammen und trinkt Kaffee.

Christine Greusing

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DAS CHRISTENTUM

Christentum katholisch

Mein Grossonkel war katholischer Priester, und ich war jahrelang Ministrantin und habe in Gottesdiensten auf unterschiedliche Weise mitgewirkt, meist in einem Chor oder als Lektorin. Trotzdem ist es nicht selbstverständlich, dass ich katholische Christin geblieben bin. Erst Ende 20 habe ich mich bewusst entschieden, Theologie zu studieren; auch weil ich sehr gute Erfahrungen im spirituellen Leben der Klöster gemacht habe.

Als Christin hat Jesus eine herausragende Bedeutung. Ich wünsche mir oft, ich könnte heute direkt mit Jesus sprechen und mich von ihm inspirieren lassen, im Leben und im Handeln. Ob man noch in Formeln wie «Gottessohn» und «Jungfrauengeburt» sprechen sollte, sei dahingestellt: Für mich ist es klar, dass Jesus Christus wie kein anderer gezeigt hat, wie Gott wirklich ist und was er will. Auch heute können wir Gott in einem kleinen unscheinbaren Kind, im Leiden und Sterben von Unschuldigen und in Menschen erleben, die teilen, andere heilen und ihnen beistehen.

Vieles in der katholischen Tradition betrachte ich kritisch und engagiere mich für Reformen: für eine bessere Repräsentation und Mitwirkung von Frauen auf allen Ebenen, für Freiwilligkeit im zölibatären Leben und für ein mutiges sozialpolitisches Eintreten unserer Kirche. Aber katholisch zu sein meint auch, sich mit Christinnen und Christen aus allen Sprachen und Kulturen verbunden zu fühlen. Gerade wenn man sich sonst nicht einig ist, weiss ich: Wir können zusammen beten und zusammen feiern. Die Einheit als Kirche ist für mich auch eine Vision für die ganze Menschheit. Diese Einheit lehrt uns, Spannungen auszuhalten, Toleranz zu üben, angepasste Lösungen zu finden und immer wieder von Neuem Mut zu schöpfen und sich für ein besseres Zusammenleben einzusetzen. Das ist auch meine Motivation für den interreligiösen Dialog.

Ann-Katrin Gässlein

Christentum evangelisch

Ich bin Christ, weil ich in einer christlichen Familie in einem christlich geprägten Umfeld in einem mehrheitlich von Christen bewohntem Land aufgewachsen bin. In der Schulzeit besuchte ich den christlichen Unterricht und ab 16 Jahren engagierte ich mich in verschiedenen christlich evangelischen Jugendgruppen. Nach dem Erforschen von anderen Religionen, v.a. östlicher Prägung, entschied ich mich mit etwa dreissig Jahren bewusst zum Christentum.

In meinem religiösen Leben ist mir die Gemeinschaft mit anderen Christen und das Teilen von christlichen Werten wie Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft wichtig. Die Grundsätze, die Jesus uns übers Zusammenleben gelehrt hat, gelten auch heute noch und führen, aus meiner Sicht, zu einer friedlichen und sicheren Welt. Darum versuche ich, diese Grundsätze zu leben und sie durch mein Beispiel anderen näher zu bringen.

In St.Gallen besuche ich seit meiner Heirat regelmässig Gottesdienste in verschiedenen evangelischen Kirchen und sehr häufig auch in der ökumenischen Kirche Halden. Das achtsame Zusammengehen der katholischen und evangelischen Tradition ist für mich ein wichtiges Glaubensziel, für das ich mich aktiv einsetze. Die Unterschiede dieser beiden christlichen Landeskirchen in der Schweiz sind vor allem auf organisatorischer Ebene und nicht mehr auf inhaltlicher Ebene zu finden. Für die Basis der Gläubigen spielen diese Unterschiede oft keine Rolle, daher sehe ich die innerchristliche Ökumene als eine zukunftsweisende und moderne Form, die christlichen Werte und die Lehren Jesu zu leben und aktiv umzusetzen.

Paul Pfenninger

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DER ISLAM

Ich bin Muslima aus Überzeugung. Meine Eltern sind Muslime, aber wir sind kommunistisch aufgewachsen. Erst später habe ich mich mit Religion befasst und für mich entschieden, dass dieser Weg für mich der richtige ist. Das war erst hierin der Schweiz, als in Bosnien der Krieg ausbrach. Vorher war für mich Religion etwas für ältere Menschen: Wenn man 50 oder 60 war, machte man halt die Pilgerfahrt und das war’s. Doch dann habe ich erlebt, wie viele Freunde und Familienangehörige gestorben sind und habe mich gefragt: Wohin gehen die Menschen? Was ist der Sinn des Lebens? Im Islam habe ich Antworten gefunden.

Für Muslime gibt es Pflichten, die man natürlich erfüllen soll. Aber für mich ist es wichtig, zu wissen, dass man ein Mensch mit Fehlern ist, aber sich tagtäglich bemühen soll um einen gerechten Umgang mit anderen Menschen. Es ist wichtig, in jedem Menschen das Positive zu sehen und sich ihm gegenüber korrekt zu verhalten. Es gibt ein bosnisches Lied über eine Frau, die mehrmals in Mekka war, gebetet und gefastet hat, doch nach ihrem Tod kommt sie in die Hölle. Als sie nach dem Grund fragt, erfährt sie: Deine Nachbarn waren vor deiner Zunge nicht sicher. Du hast junge Menschen beschimpft. Du gast versucht, zwei Verliebte auseinanderzubringen. Das heisst also: Nicht nur in den Taten, sondern auch in den Gedanken soll man alles Schlechte meiden.

Hier in St. Gallen bin ich engagiert in der Bosnischen Gemeinde und mache Moscheeführungen für Menschen, die sich interessieren: Studierende von der HSG, Schulklassen, etc. Und im Islamischen Dachverband der Ostschweiz DIGO bin ich Sekretärin.

Elvira Zukanovic

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DER SIKHISMUS

In erster Linie bin ich in einer Sikh-Familie geboren, und auch meine Vorfahren waren Sikhs. Als ich unsere Gebete und die Sikh-Philosophie gelesen und verstanden hatte, fand ich, dass sie gut für die heutige Zeit und die Menschen passt. Ein Sikh muss nicht unbedingt ein getaufter Sikh sein, aber es ist ein Teil der Philosophie von Guru Nanak, und ich versuche, den «Sikh Way of Life» zu praktizieren.

Guru Nanak, der die Sikh-Religion gegründet hat, gab drei wichtige Botschaften: Konzentrieren wir uns auf Gott, arbeiten wir und führen wir ein ehrliches Leben. Wenn du etwas verdienst und etwas übrig bleibt, das du mit anderen Menschen teilen kannst, dann teile es. Es muss nicht unbedingt Essen oder etwas Materielles sein, sondern alles, was man miteinander teilen kann. Das hat mir gefallen.

Das Wichtigste ist, was in den ersten Versen unseres Gebetsbuches steht: Gott ist die Wahrheit und er ist überall. Guru Nanak hat in seinem Leben gegen die Mogulherrscher protestiert und ihnen vorgeworfen, Verbrecher zu sein, weil sie die Menschenrechte verletzen. Das wurde ein Teil der Sikh-Religion: Wir versuchen, die Menschenrechte zu achten und Menschen weltweit zu helfen. Das verstehe ich auch als meine Aufgabe.

Die Sikhs in St. Gallen sind nur eine kleine Gemeinde; wir haben fünf oder sechs Familien und versuchen, miteinander in Kontakt zu bleiben und gemeinsam etwas zu gestalten, wenn es nötig ist. Einmal im Monat fahren wir auch zum Gurdwara (Gebetshaus) in Langenthal, der erste Gurdwara ausserhalb Europas, der in traditioneller Weise gebaut wurde. Das finden wir sehr bedeutungsvoll.

Gurdeep Singh Kundan

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DIE BAHA'I

Ich bin Baha’i, weil ich glaube, dass Baha’u’llah, der Gründer der Baha’i Religion, das Heilmittel für die Welt in ihrem jetzigen Zustand gebracht hat. Getreu dem Bund, den Gott mit den Menschen geschlossen hat, dass Er die Menschheit nicht ohne Führung lassen werde, wenn sie an ihn glauben: So hat Gott uns in der Gestalt von Baha’u’llah die Führung geschickt, die wir in der heutigen Zeit brauchen. Er hat sozusagen den Glauben an Gott erneuert, den bereits Buddha, Krishna, Moses, Jesus und Mohammed den Menschen gebracht haben. Mit Gesetzen, Geboten und Lehren, die dem Bedürfnis der heutigen Zeit entsprechen. Kennengelernt habe ich den Glauben durch meine Eltern. Ich habe mich dann nach eingehender Prüfung mit 15 entschieden, dem Baha’i-Glauben eigenständig beizutreten.

Am wichtigsten an meinem Glauben ist es für mich, Gott anzubeten und mich an Seine Gebote zu halten. Dies beinhaltet sehr viel. Es bedeutet unter anderem, in einem Gebetszustand zu leben, am Gemeindeleben teilzunehmen, die unabhängige Suche nach Wahrheit, der Menschheit zu dienen und sich für Gerechtigkeit und den Aufbau einer sich immer weiterentwickelnden göttlichen Kultur einzusetzen.

In St. Gallen haben wir eine kleine Baha’i Gemeinde, die sich regelmässig zu 19-Tagefesten und Feiertagsaktivitäten trifft. In den vergangenen Jahren habe ich je nach zeitlicher Verfügbarkeit die Kinderklassen, Juniorjugendaktivitäten und Studienkreise unterstützt. Ich fühle mich aber nicht nur Teil der lokalen Gemeinde, sondern vielmehr einer weltweiten Gemeinschaft, die sich dafür einsetzt, dass wir in Zukunft in Einheit und Harmonie zusammenleben können.

Bettina Hartmann